Photovoltaik in Deutschland: Ein steiniger und frustrierender Weg!
Aus eigener Erfahrung: Photovoltaik auf dem Eigenheim zu haben macht unheimlich viel Freude und es ist faszinierend zu erleben, wie man seine eigene Energie für Haushalt, Mobilität und Wärme erzeugen kann. ABER: Der Weg dahin war steinig und sehr frustrierend … ein richtiges Bürokratiemonster und man muss sich zunächst einmal umfassend in die Materie einarbeiten.
Im Mai 2021 haben wir unsere Anlage mit 14,2 kWp in Betrieb genommen. Der Papierkram bei der Beauftragung und auch noch mal nach der Inbetriebnahme war einfach nur schrecklich. Ich hatte mir damals gedacht: „Kein Wunder, dass der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland so schleppend war in den letzten Jahrzehnten!“. Herr Altmaier hat erfolgreich gearbeitet und wirklich einiges verhindert.
Es gab vor ca. 10 Jahren sogar einmal eine Headline auf der n-tv Seite (ist heute noch bei n-tv zu finden …): „Altmaier verkündet Erfolg: Zu rasanter Anstieg von PV in Deutschland erfolgreich gebremst!“. Unfassbar, aber war.
Als wir planten, gab es zunächst noch die unsinnige „10 kWp Grenze“, die wurde dann glücklicherweise auf 30 kWp erhöht. 10 kW wären für uns einfach nicht sinnvoll gewesen, da wir mit Wärmepumpe und zwei E-Autos einen sehr großen Strombedarf haben (ca. 14.000 kWh pro Jahr). Die einzige Förderung, die wir nutzen konnten, war eine Speicher-Förderung vom Land NRW. Da wir in der Konstellation stark auf Eigenverbrauch optimieren mussten, war die Speicherförderung ein Lichtblick. Aber der Weg dahin – eine Katastrophe.
Für uns durch den hohen Eigenverbrauch nicht so relevant, aber trotzdem eine äußerst merkwürdige Regelung: Private PV-Anlagen in Deutschland dürfen normalerweise nur bis maximal 70% der Leistung einspeisen. Der Rest muss abgeregelt werden. Ich konnte es zunächst gar nicht glauben.
Umsatzsteuer auf Eigenverbrauch zahlen, damit man unterm Strich eventuell spart.
Dann die Überlegungen – „Mit Regelbesteuerung oder lieber Kleinunternehmerregelung?“. In die Materie muss man sich erst mal hineinvertiefen als angehender Photovoltaikbetreiber in Deutschland.
Da wir eine große Anschaffungssumme hatten, entschieden wir uns für die Regelbesteuerung. Also habe ich mit meiner Frau zusammen quasi eine „Sonnen GbR“ gegründet, eigentlich ja unfreiwillig. Auch da wieder unfassbar viel Papierkrieg, so dass wir zum Schluss alles entnervt zum Steuerberater gegeben hatten. Jetzt zahlen wir (wie geplant) für 5 Jahre lang Umsatzsteuer auf die durch uns selbst verbrauchten Kilowattstunden und können danach versuchen da herauszukommen (normalerweise 10 Jahre …). Meine Erachtens nach eine sehr merkwürdige Regelung. Das Finanzamt verlangt zunächst eine monatliche Abgabe, was für ein Wahnsinn!
Zuletzt noch einige Kleinigkeiten wie zum Beispiel die Anmeldung beim Deutschen Marktstammdatenregister und die Auseinandersetzung mit dem lokalen Netzbetreiber … das hatte uns dann auch nicht mehr geschockt. 😉
Dass wir für das Einspeisen nur knapp 7 Cent bekommen, aber nun laut neuem Vertrag bei unserem Ökostromanbieter zukünftig 62 Cent bezahlen sollen, passt für mich nicht ins Bild!
Wichtig zu wissen bei Photovoltaik in Verbindung mit Wärmepumpe und Elektromobilität: Die „Kaskadenmessung“
Wir betreiben bereits seit zehn Jahren eine Wärmepumpe, daher war für uns ein zweiter Zähler mit einem günstigen Stromtarif (Wärmestrom) schon viele Jahre der Standard. Der Zähler muss einige Voraussetzungen erfüllen, damit man den günstigen Wärmepumpenstrom bekommen kann, unter anderem muss er „unterbrechenbar“ sein. Der Stromanbieter kann einen günstigen Tarif kalkulieren, wenn er zu bestimmten Spitzenzeiten den Strom für eine Stunde pro Tag unterbrechen kann. Bei unserer Wärmepumpe spielt die temporäre Unterbrechung eigentlich keine besondere Rolle, denn so schnell wird der Pufferspeicher während der Unterbrechung nicht geleert.
Als wir die Photovoltaikanlage installierten, stellte sich bei den vorbereitenden Planungsgesprächen mit dem Installateur die Frage: Wärmepumpe mit separatem Zähler lassen und daher ohne Nutzung von Sonnenstrom, oder alles auf einen Stromkreis mit nur einem Zähler reduzieren und somit die Wärmepumpe auch mit Sonnenstrom betreiben? Wir entschieden uns für die zweite Variante, denn die neue PV-Anlage sollte ja möglichst auch Strom für die Wärmepumpe produzieren können.
Leider wurde uns eine weitere Möglichkeit vom Installateur nicht genannt, davon hatte ich dann erst viel später und mehr oder weniger zufällig von unserem Stromanbieter in einer Infomail erfahren: Die Möglichkeit der Kaskadenmessung. Hier wird ein zweiter Zähler so integriert, dass die Wärmepumpe einerseits mit Sonnenstrom betrieben werden kann und trotzdem die Möglichkeit für den günstigen Wärmestromtarif besteht. Der zusätzliche Zähler wird sozusagen „in Reihe“ geschaltet.
Wenn wir von dieser Möglichkeit vorher gewusst hätten, dann hätten wir uns wohl direkt für die Kaskadenmessung entschieden, denn im Winter verbraucht unsere Wärmepumpe den meisten Strom und die Sonne gibt naturgemäß zu der Zeit zu wenig Energie auf unser Dach. Wir benötigen im Winter somit mehr Netzstrom. Auch wenn wir von April bis September zu weit über 90% autark sind, ziehen die schlechten Wintermonate die Bilanz stark nach unten und wir müssen den teuren Netzstrom einkaufen. Ich wäre über mehr Informationen zu dem Thema während der Planungsphase sehr dankbar gewesen, leider haben offensichtlich selbst Fachbetriebe das Thema Kaskadenmessung nicht immer auf dem Schirm. Also auch hier das Thema: Man muss sich offensichtlich selbst schlau machen und die Informationen zusammensuchen.
Übrigens bieten viele Netzbetreiber bzw. Stromanbieter auch den Betrieb von Wallboxen über den zweiten, günstigen Tarif auf dem separaten Zähler an. Auch dies kann sich lohnen (und auch hier ist es im Normalfall kein Problem wenn über Nacht beim Laden der Strom für eine kurze Zeit unterbrochen wird).
Andere Länder machen es mal wieder besser.
Warum bekommen andere Länder, wie zum Beispiel die Niederlande, es so hin, dass schlicht und einfach „gegengerechnet“ wird. Also man produziert Strom und kauft Netzstrom, die Differenz wird vergütet oder man muss zahlen, fertig. Es kann so einfach sein, aber nein – in Deutschland doch nicht, wo kämen wir denn da hin?
Für uns hatte sich das Modell „GbR gründen / Kauf netto“ gerechnet, da wir durch den hohen Eigenverbrauch eine große Anschaffungssumme zu stemmen hatten.
Was für uns nun leider ein wenig „nach hinten“ losgeht ist, dass wir ab jetzt deutlich mehr MwSt. auf den Eigenverbrauch zahlen werden als geplant, da dies immer am aktuellen Strompreis bemessen wird. So eine drastische Strompreiserhöhung hatte ich damals nicht einkalkuliert (damit hatte wohl niemand im Jahr 2021 gerechnet) und so relativiert sich jetzt leider die Einsparung der MwSt. wieder um einiges bei uns, da wir viel mehr zahlen werden als damals kalkuliert.
Schade, dass es nicht rückwirkend auch für uns im „Altbestand“ gilt, dass keine Umsatzsteuer mehr auf Eigenverbrauch gezahlt werden muss.
Ein Lichtblick ab dem 01.01.2023
Es muss keine Umsatzsteuer mehr auf den Kauf von PV-Anlagen und Speicher gezahlt werden und man hat – auch beim Eigenverbrauch – nichts mehr mit dem Finanzamt zu tun!
Freut mich für alle, die ab kommendem Jahr neu bauen, die haben dann zumindest nichts mehr mit dem Finanzamt zu tun und können trotzdem zu Nettopreisen kalkulieren. Das ist schon mal ein guter Fortschritt und ein höherer Anreiz für die 16 Millionen deutschen Eigenheimbesitzer, sich eine PV Anlage anzuschaffen!
Die ersten und sinnvollen Schritte zur Vereinfachung und Steigerung der Attraktivität für neue Anlagen ab dem Jahr 2023 sind gemacht – da ist die neue Regierung auf dem richtigen Weg wie ich meine!
Es könnte einfach, digital und anwenderfreundlich sein.
Eigentlich müsste es so sein: Man plant eine PV Anlage anzuschaffen, bekommt von staatlicher Seite ein Infopaket mit einer netten Begrüßung in der Art: „Wir freuen uns, dass Sie ein Teil der Energiewende in Deutschland werden wollen und begrüßen Sie mit einem einfachen 3-Schritte-Plan.“ Ein QR-Code führt den Neuling zu einer kurzen Online-Prozedur, die in wenigen Minuten am Smartphone erledigt ist. Bei uns war es in der Realität das komplette Gegenteil und ein unglaublicher Papierkrieg mit diversen Behörden und Förderstellen begann. Frust pur.
Trotz alledem: Wir freuen uns Tag für Tag über die Anlage und es macht einfach Spaß bei der Stromproduktion zuzusehen! Dieses Jahr sind wir zum Beispiel bereits weit über 10.000 Kilometer mit unserem eigenen Sonnenstrom Auto gefahren. Seit einem halben Jahr sind wir permanent zu 95% autark, inklusive Haushalt, Warmwasser, Autos etc.
Meine aktuelle, sehr positive Zwischenbilanz:
Ich versuche meinen persönlichen Fußabdruck immer kleiner werden zu lassen und mit meiner Familie möglichst „fossilfrei“ und umweltschonend im Bereich Wohnen, Mobilität, Urlaub und Ernährung zu sein.
Über mich
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