18. Januar 2019

Tempolimit in Deutschland: Ja bitte!

Seit langer Zeit bin ich Fan und Hörer des Podcasts „Aufwachen!“ mit Tilo Jung und Stefan Schulz. Neulich ging es im zugehörigen Diskussionsforum auf der Aufwachen-Website um das viel diskutierte Thema „Tempolimit auf deutschen Autobahnen“. Ich war ziemlich überrascht, dass es unter den Hörern des Podcasts so viele Gegner des Tempolimits gibt und dass sie im Forum oft nur ziemlich fadenscheinige Begründungen für das Beibehalten der „freien Fahrt“ geliefert haben.

Da der Podcast zum „Mitmachen“ einlädt und die Zuhörer Audiokommentare einreichen können (die dann in der jeweils nächsten Folge am Ende des Podcasts gesendet werden), habe ich mich mal wieder an die Aufnahme eines Hörerkommentars gemacht. Oft ist es so, dass diese dann wiederum im Online-Forum weiter diskutiert werden.
Ist ein toller, interaktiver Podcast wie ich finde. Nach jahrelangem Zuhören und Mitdiskutieren kommt einem das alles vor wie „eine große Familie“. Auch spannend zu sehen, dass die Macher Tilo und Stefan durch die regelmäßigen Spenden der treuen Zuhörerschaft ihren Lebensunterhalt nahezu allein durch die Sendungen bestreiten können. Ich unterstütze die beiden auch gerne und regelmäßig (und komme dann am Anfang der Sendung auf die „Dankes-Tribüne“).

Da das Thema „Tempolimit“ mich schon seit langer Zeit beschäftigt und ich mit vielen Menschen darüber diskutiert habe, reizte mich die Aufnahme des Audiokommentares (der dann auch tatsächlich gesendet wurde …).
Ich habe versucht für das Einsprechen des Beitrags die wichtigsten Argumente für ein Tempolimit zusammenzufassen. Mir geht es hauptsächlich um den Bereich der Verkehrssicherheit. Die Vorteile bei Ressourcenschonung und CO2 Einsparung gibt es natürlich zusätzlich auch noch. Die Notizen, die ich mir vor der Aufnahme gemacht habe, poste ich nachfolgend in diesen Beitrag:

Autobahn ohne Tempolimit

Die Hälfte der Deutschen ist gegen ein Tempolimit

Generell ist der aktuelle Trend in der Bevölkerung bei Umfragen in Deutschland circa 50% für und 50% gegen eine Einführung eines Tempolimits. Bei Umfragen in „Bild und Focus“ sind eher ca. 70% der Leser gegen ein Tempolimit.
Daher war ich ja auch so überrascht, dass recht viele Teilnehmer (im eher „linksgrünen“ Aufwachen-Forum) so vehement gegen das Tempolimit einstehen.

Man kann sehr viel diskutieren und es gibt alle möglichen Argumente auf beiden Seiten.
Mal ganz abgesehen davon, dass man darüber reden müsste, wie sich unser Verkehrsminister Scheuer und andere Politiker wie Lindner verhalten, wenn sie Argumente hervorbringen, dass es „jetzt mal genug ist“ mit Gängelungen und Beschränkungen für die „armen Autofahrer“ in Deutschland.

Da im Forum oft argumentiert wird „Du fährst wohl nie Autobahn und wenn, dann hast Du bestimmt eh kein Auto was schnell ist … Du willst nur dass andere so langsam sind wie Du und daher bist Du für Tempolimit! …“. Nein, ich selber fahre übrigens auch viel auf deutschen Autobahnen und habe ein Fahrzeug mit dem ich problemlos mit Geschwindigkeiten jenseits von 200 km/h fahren könnte – was meiner Meinung nach aber überhaupt keinen Sinn macht. Ich bin oft in Schweden unterwegs und es ist jedes Mal eine Wohltat, wenn man Deutschland verlässt und die Fahrweise auf skandinavischen Autobahnen genießen kann – das ist Entspannung pur statt dem gehetzten Verhalten auf unseren Autobahnen. Und das liegt definitiv nicht nur daran, dass in Dänemark und Schweden in manchen Gegenden weniger Verkehr auf den Straßen ist.

Ich möchte hier jetzt einmal die für mich wichtigsten Aspekte für die Einführung eines Tempolimits beleuchten.

Freiheit kontra Sicherheit

Die Befürworter kommen immer mit Argumenten wie „in Deutschland sterben pro Autobahnkilometer viel weniger Menschen als in Polen, Frankreich usw. … und das obwohl es dort ein Limit gibt und hier keines“.
Außerdem würden in Deutschland auf Landstraßen viel mehr Menschen sterben als auf Autobahnen und so etwas wie „die CO2 Einsparung bei Tempolimit wäre so gering, da muss man doch erst mal die Containerschiffe im Hafen von Hamburg abschaffen …“ und so weiter. Also oft nur eher unsinnige Vergleiche und viel Whataboutism.

Man kann aber vergleichen und argumentieren wie man will – zum Schluss kommt man nicht drum herum zu akzeptieren, dass mit einem Tempolimit in Deutschland jedes Jahr wohl mindestens 100 Menschen weniger auf den Autobahnen sterben würden (Quelle: Statistisches Bundesamt, Zahlen 2018).

Wahrscheinlich sind es sogar weit mehr als 100, aber diese Zahl kann man als das Minimum ansehen. Laut der Statistik sterben an die 200 Menschen in Deutschland auf Autobahnen aufgrund „nicht angepasster Geschwindigkeit“. Dazu kommen sehr viele Schwerstverletzte.

Große Geschwindigkeits-Unterschiede sind ein Sicherheitsproblem

Bei freier Fahrt ohne Limit besteht eben nunmal das Problem, dass manche Fahrer mit über 200km/h und mehr an Autos vorbei rasen, die nur 100km/h fahren. Und das ist dann somit ein sehr großer Geschwindigkeitsunterschied.
Natürlich gibt es in Deutschland die Richtgeschwindigkeit von 130km/h. Aber es ist trotzdem theoretisch erlaubt, mit 250 Sachen auf der linken Spur zu fahren und dann kann es eben nun mal vorkommen, dass zum Beispiel eine Familie, die auf der mittleren Spur mit 130km/h unterwegs ist, diesen extrem viel schnelleren Wagen übersieht. Es kann ja sogar sein, dass der Fahrer in dem langsameren Auto nicht genau geschaut hat und sozusagen quasi „Schuld“ ist, wenn dann ein Unfall passiert. Jeder macht mal einen Fehler, aber hier ist mein Argument, dass diese Situation eben erst gar nicht eingetreten wäre, hätte es dort ein Tempolimit gegeben.

Bei diesem Beispiel ist dann plötzlich die gesamte vierköpfige Familie in dem langsameren Auto in einen Unfall verwickelt mit einem Fahrzeug, welches mit mehr als 100km/h höherer Geschwindigkeit in das Auto hinein rast. Die gesamte Familie ist auf einen Schlag ausgelöscht. Das ist ein ganz reales Beispiel und diese vier realen Menschen verbergen sich dann hinter der Statistik (s.o.).

Bei anderen Beispielen hat der langsamere Fahrer keine Schuld, sondern wird aus heiterem Himmel von einem extrem schnellen Fahrzeug erfasst und ein oder mehrere Leben sind ausgelöscht, nur weil es dem schnellen Fahrer erlaubt ist mit dieser Geschwindigkeit unterwegs zu sein (und somit „unsicherer“ unterwegs ist als nötig). Zwar ist gesetzlich geregelt, dass jeder Fahrer mit „angemessener / angepasster Geschwindigkeit“ unterwegs sein soll und eine Mitschuld erhält wenn dies nicht der Fall war, aber was nützt dies wenn der Unfall erst passiert ist und die Menschen ums Leben gekommen sind?

Wenn ein „übermütiger“ Schnellfahrer von der Fahrbahn abkommt und dann bei dem Unfall verstirbt – jedoch niemand anderen „mitreißt“ – ist es noch etwas anderes. Dann hat derjenige das Risiko seines Schnellfahrens bewusst in Kauf genommen und sich selbst in Gefahr gebracht. Im realen Straßenverkehr ist jedoch leider so gut wie nie die Beteiligung „Unschuldiger“ ausgeschlossen.
Wenn Unschuldige beteiligt sind, endet meiner Meinung nach die Freiheit des Einzelnen und die Geschwindigkeit muss auf ein vernünftiges Maß reduziert werden.
Ob das jetzt 140, 130 oder 110 km/h sind, müsste man diskutieren, aber ich finde man könnte sich sehr gut an unseren europäischen Nachbarn orientieren, die allesamt ein Tempolimit eingeführt haben – eben aus den besagten „Vernunfts-Gründen“.

Natürlich gibt es auch prinzipiell „verantwortungsbewusste Schnellfahrer“, aber auch bei denen ist das Risiko einen Unschuldigen mitzureißen nunmal höher, wenn es kein Tempolimit gibt.

Warum muss es erlaubt sein auf der Autobahn 250km/h zu fahren?

Je schneller man fährt, desto größer ist das Risiko eines Unfalls. Dieses Risiko steigt exponenziell mit der Geschwindigkeit an.
Je schneller man fährt, desto größer ist also das Risiko von Todesopfern oder Schwerstverletzen bei einem Unfall. Das ist nunmal Fakt.

Wer ab und zu das Bedürfnis hat, sein Auto auf Höchstgeschwindigkeit zu bringen, der kann dies gerne auf einer Rennstrecke tun, wo man sich für ein paar Runden einmieten kann.

Die Polizeigewerkschaft vertritt übrigens auch die Meinung, dass hohe Geschwindigkeiten der „Nummer 1 Killer“ auf deutschen Autobahnen sind. Auch fand ich eine Dokumentation interessant, wo in einer Polizweichache der Autobahnpolizei nachgefragt wurde und sämtliche Beamte dort für ein generelles Tempolimit waren. Sie hatten im Laufe ihrer Karriere etliche schlimme Dinge gesehen und kommen natürlich zu dem Schluss, dass es ein Wahnsinn ist, da man viele dieser schrecklichen Dinge hätte vermeiden können.

Autofahren ist ja eigentlich in erster Linie nur ein Mittel, um von A nach B zu kommen. Wer „Spaß“ beim Fahren braucht, sollte dies besser auf einer privaten Rennstrecke erledigen.

Die Bürger zahlen mit ihren Steuern den Betrieb der Straßen und es sollte daher jedermanns Recht sein, die Verkehrswege sicher nutzen zu können. Egal ob es der „Luxus SUV Fahrer“ ist, oder eine Familie mit drei Kleinkindern in einem VW Sharan bei 100 km/h Durchschnittstempo. Ich finde jeder hat das Recht, sicher von A nach B zu kommen und das Tempolimit verringert die Gefahr von schlimmen Unfällen.

Also ich bleibe dabei, wir müssen die mindestens 100 Todesopfer reduzieren und auch wenn es nur 50 oder auch nur 10 wären, würde es sich lohnen, denn der Aufwand das generelle Tempolimit einzuführen ist sehr gering und man hat sofort einen großen Effekt (natürlich auch bei der Einsparung von CO2!).

Ich bin fest überzeugt – wir werden uns alle daran gewöhnen. Genau wie damals bei der Gurtpflicht und anderen Beispielen – auch da haben sich die Menschen zuerst händeringend dagegen gewehrt und inzwischen ist es einfach für jedermann Normalität.

Die Sicherheit auf Deutschen Straßen ist bereits jetzt im europäischen Vergleich schon sehr gut – aber warum sollten wir nicht den Anspruch haben die „Nummer 1“, also die Besten zu werden? Ein Tempolimit würde dazu sehr gut beitragen.


Weitere Argumente für ein Tempolimit

Weniger Staus – es passen bei niedrigeren Geschwindigkeiten mehr Fahrzeuge auf die Autobahn (je höher die Geschwindigkeit desto mehr Abstand zwischen den Autos).

Nicht nur weniger Tote sondern auch weniger Verletzte und Schwerverletzte (teils gravierende Unfall-Langzeitfolgen).

Die Gegenargumente beruhen nur auf Egoismus („Freiheit“ „Spaß“ „Ein paar Minuten sparen wenn ich schnell fahre …“ usw.).

Mehr Entspanntheit – ich höre immer wieder, dass die Menschen sagen: „Sobald ich aus Deutschland raus bin (Dänemark, Holland, Frankreich usw.), ist das Fahren auf der Autobahn entspannter. Viele empfinden eben dieses ständige „Ich muss schauen, ob da einer mit 250 Sachen angerast kommt …“ unentspannt.

Mit Tempolimit würden auf einen Schlag pro Jahr drei Millionen Tonnen CO2 eingespart (Rückgang um neun Prozent). Quelle 


Mein Hörer-Beitrag „Aufwachen Podcast“ vom 16.02.2019

Mitreißendes Video: „Rasergedicht“

Jedem „Tempolimit-Zweifler“ empfehle ich dieses kurze, dreiminütige Video anzuschauen:

Ex-Titanic-Chefredakteur Thomas Gsella berichtet in der Fernsehsendung „Die Anstalt“ über ein tragisches Unfallereignis in seiner Familie und trägt sein Rasergedicht vor.

Von solchen Schicksalen gibt es am laufenden Band immer wieder neue, einfach nur da es an vielen Stellen erlaubt ist, dass man mit seinem Auto mit 250 km/h auf der linken Spur seinem Ziel entgegen rast.
Wie schnell ist es passiert, dass ein langsamer fahrendes Auto beim Überholen eines LKW das heran rasende Auto nicht rechtzeitig erkennt. In dem langsamer fahrenden Auto sitzt in diesem Beispiel eine Mutter mit ihrer 14-jährigen Tochter auf dem Weg zu einem Urlaub an der Nordsee, beide sind noch am Unfallort tot.

Alternativer Link zum Video extern:
„Rasergedicht“ von Thomas Gsella


Kommentarfunktion blockiert
Aufgrund der Datenschutzeinstellungen ist die Kommentarfunktion eingeschränkt.
Wir nutzen Google ReCaptcha zur Antispam-Prüfung. Bitte aktiviere diesen Dienst:


Ein Beitrag von Tobias Heinze
Ich versuche meinen persönlichen Fußabdruck immer kleiner werden zu lassen und mit meiner Familie möglichst „fossilfrei“ und umweltschonend im Bereich Wohnen, Mobilität, Urlaub und Ernährung zu sein.

Über mich
🍪 Optimierungen mithilfe von Cookies

Diese Webseite verwendet Tools und Funktionen, die unter Umständen Cookies im Browser Ihres Gerätes speichern. Nähere Informationen dazu in der Datenschutzerklärung.